Grone Magazin Juli 2018
Die neue Bundesregierung will einen sozialen Arbeitsmarkt für 150.000 der 850.000 Langzeitarbeitslosen schaffen. Arbeitsminister Hubertus Heil setzt sich in diesen Zeiten besonders intensiv mit Thematik auseinander. Es wird kein flächendeckendes Programm, sondern wendet sich in – noch nicht genauer definierten – benachteiligten Regionen an Menschen ohne Ausbildung, gesundheitlich eingeschränkt und teilweise auch schon älter sind.
Hubertus Heil: „Lebenslanges Lernen wird ein zentraler Baustein für die Beschäftigungssicherung der Zukunft sein““
Der neue Bundesminister für Arbeit und Soziales zu fünf Eckpunkten der politischen Arbeit seines Hauses
Im Gespräch mit dem Grone-Magazin ging es um fünf Eckpunkte der politischen Arbeit seines Hauses: Zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit will Minister Heil u. a. ein neues Regelinstrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ im SGB II einführen. Er plant zudem, zur Weiterbildungsberatung und Fachkräftesicherung die Rolle der Bundesagentur für Arbeit zu stärken und im geplanten Weiterbildungsgesetzfinanzielle Anreize für die Weiterbildung zu schaffen. Zur besseren Integration von Geflüchteten und Migranten will er die Betroffenen vom Wert der dualen Ausbildung überzeugen. Zudem kündigt er an, die Assistierte Ausbildung beim Übergang von der Schule in den Beruf weiterauszubauen. Das Interview hat folgenden Wortlaut:
1. Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit: Dafür nimmt die Bundesregierung 4 Milliarden Euro in die Hand. Wie sollen die Mittel verwendet werden?
Im Koalitionsvertrag haben wir uns zum Ziel der Vollbeschäftigung bekannt. Dazu zählt auch, dass Menschen, die schon sehr lange arbeitslos sind, wieder eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt haben. Daher sollen die Mittel dazu verwendet werden, neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt für langzeitarbeitslose Bürgerinnen und Bürger zu schaffen. Konkret sollen die Mittel vor allem für die Finanzierung von Lohnkostenzuschüssen genutzt werden. Gefördert werden soll gute Arbeit für bis zu 150.000 Langzeitarbeitslose. Dazu werden wir u. a. noch in diesem Jahr ein neues Regelinstrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ im SGB II einführen. Mit diesem Instrument werden wir sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse mit längerfristiger Perspektive in der freien Wirtschaft, bei Wohlfahrtsverbänden oder gemeinnützig in den Kommunen fördern. Die Arbeitsaufnahme soll durch ein Coaching stabilisiert werden. Ich sehe dieses Instrument als einen Türöffner für den Arbeitsmarkt an, der Wege aus der Grundsicherung eröffnet und dabei langfristige Zukunftsperspektiven schafft. Zu diesen und anderen Fragen gibt es gegenwärtig vielfältige Debatten. Manche meinen, die Grundsicherung müsse runderneuert werden und fragen sich, ob die soziale Sicherung auch morgen noch trägt. Ich möchte, dass diese Sorgen, dass die Lebensrealität der Menschen in der Politik mitbedacht werden. Deshalb werde ich noch vor der Sommerpause einen Dialogprozess zur „Zukunft der Arbeit und des Sozialstaats“ starten. Ziel ist, in etwa einem Jahr eine Orientierung zu erarbeiten, welche weiteren Schritte – über den Koalitionsvertrag hinaus – zu tun sind. Dazu reden wir mit Betroffenen, Sozialpartnern und der Wissenschaft. Ich möchte, dass wir in einer konstruktiven Gesprächskultur gemeinsam vorankommen.
2. Weiterbildungsberatung und Fachkräftesicherung: Wie wird dies inhaltlich ausgestattet sein?
Der demografische und digitale Wandel verändert Berufsbilder und Tätigkeiten. Nicht nur ältere, sondern auch jüngere Beschäftigte müssen sich darauf immer wieder neu einstellen. Um Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit auch in Zukunft zu sichern, müssen wir gemeinsam dafür sorgen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die richtigen Kompetenzen und Qualifikationen dafür haben. Denn immer weniger wird eine Ausbildung ein ganzes Erwerbsleben lang ausreichen; lebenslanges Lernen wird ein zentraler Baustein für die Beschäftigungssicherung der Zukunft sein.
Die Bundesagentur für Arbeit liefert auf dem Feld der Weiterbildung und Qualifizierung bereits einen wichtigen Beitrag. Ihre Rolle in Weiterbildungsfragen muss weiter ausgebaut werden, damit der digitale Wandel für die Beschäftigten und Betriebe gleichermaßen gelingt. Damit geben wir allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern frühzeitig Orientierung, damit jede und jeder diesen Wandel als Chance für sich nutzen kann und richten unsere Arbeitsmarktpolitik präventiver aus. Diesen Weg des Ausbaus der Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung müssen wir entschlossen weitergehen.
Weiterbildungsgesetz: Welche inhaltlichen Eckpunkte sehen Sie?
Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, die Anspruchsvoraussetzung für die Förderung der beruflichen Weiterbildung in § 81 SGB III im Sinne von Erweiterungsqualifizierungen anzupassen. Dabei muss sich die Weiterbildung an den Bedarfen der Beschäftigten und Arbeitslosen, der Wirtschaft und des regionalen Arbeitsmarktes orientieren. Wir wollen die Arbeitsmarktinstrumente stärker auf die digitale Weiterbildung ausrichten und finanzielle Anreize für die Weiterbildung schaffen. Die konkrete Ausgestaltung werden wir mit der Bundesagentur für Arbeit und den Sozialpartnern erörtern.
Weiterbildungsgesetz: Welche inhaltlichen Eckpunkte sehen Sie?
Integration von Geflüchteten und Migranten: Wir sehen, dass die Integration von Geflüchteten nicht kurzfristig lösbar ist. Wir benötigen mehr Zeit, um diese Mammutaufgabe zu bewältigen. Wie geht es aus Ihrer Sicht weiter?
Ich teile Ihre Einschätzung, dass die Integration der in den letzten Jahren zu uns Geflüchteten Zeit und Geduld in Anspruch nehmen wird. Das Institut
für Arbeitsmarktund Berufsforschung geht auf der Basis früherer Zuwanderung aus humanitären Gründen davon aus, dass nach fünf Jahren 50 Prozent der Geflüchteten integriert sind. Die Ausgangsbedingungen am Arbeitsmarkt sind gut, diese Chance müssen wir nutzen. Aus meiner Sicht ist insbesondere die Sprachkompetenz Schlüssel zur Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt.
Hier müssen wir den frühzeitigen Zugang zur Sprachförderung des Bundes sicherstellen und die Qualität der Integrationskurse und der Berufssprachkurse verbessern. Ein weiterer Punkt spielt in der Praxis eine ganz besondere Rolle: Wir müssen mehr Geflüchtete von dem Mehrwert einer Berufsausbildung in Deutschland überzeugen. Eine duale Berufsausbildung ist nach meiner Überzeugung die beste Ausgangssituation für eine erfolgreiche und dauerhafte Beteiligung am Arbeitsleben. Daher freuen mich die jüngsten Meldungen, wonach immer mehr Geflüchtete eine Berufsausbildung absolvieren, sehr. Denn auch sie gehören zu den Fachkräften von morgen, die wir dringend brauchen.
Weiterbildungsgesetz: Welche inhaltlichen Eckpunkte sehen Sie? Übergang Schule und Beruf: Welche Ideen und Impulse sind aus dem BMAS zu erwarten?
Der Übergang von der Schule in den Beruf ist einer der wichtigsten Schritte im Leben, hier müssen die Weichen richtig gestellt werden. Ein Teil der jungen Menschen braucht passgenaue Unterstützung, um den Weg in und durch eine Berufsausbildung zu schaffen. Dazu wollen wir die Assistierte Ausbildung ausbauen. Daneben wollen wir das BAföG erhöhen und die Berufsausbildungsbeihilfe sowie das Ausbildungsgeld für Menschen mit Behinderungen entsprechend anpassen. Hier denken wir auch über ein paar Vereinfachungen nach. Mit all diesen Maßnahmen wollen wir die qualifizierte Berufsausbildung gerade in den Betrieben weiter stärken. Ziel ist es zudem, die Zusammenarbeit zwischen Agentur für Arbeit, Jobcenter und Jugendamt weiter zu verbessern. Der Prozess zur Einführung von Jugendberufsagenturen soll
fortgesetzt und weiter intensiviert werden. Die Zusammenarbeit der beteiligten Institutionen wollen wir weiter stärken, möglichst unter Einbeziehung der Schulen, damit kein junger Mensch verloren geht. Auch die Allianz für Aus- und Weiterbildung wollen wir fortsetzen, um gemeinsam mit den Partnern aus Wirtschaft, Gewerkschaften, Ländern und Bundesagentur für Arbeit die Chancen für berufliche Ausbildung insbesondere für benachteiligte junge Menschen weiter zu verbessern.
Hubertus Heil (45) stammt aus Hildesheim. Er studierte Politikwissenschaft und Soziologie an der Universität Potsdam und machte seinen Abschluss an der Fernuniversität Hagen. 1988 trat er in die SPD ein und kam 1998 zum ersten Mal in den Bundestag als direkt gewählter Abgeordneter für den Wahlkreis Peine (heute Gifhorn/Peine). Von 2005 bis 2009 und von Juni bis Dezember 2017 war er Generalsekretär der SPD und schrieb maßgeblich am „Hamburger Programm“ der SPD mit, deren Parteivorstand er seit 2011 angehört. Seit März 2018 ist er Bundesminister für Arbeit und Soziales mit einem Etat von derzeit rund 140 Milliarden Euro. Von sich selbst sagt er: „Wir wollen jeden Einzelnen befähigen, durch eigene Leistung voranzukommen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Denn nur wenn alle Menschen an der Gesellschaft teilhaben können, ist lebendige Demokratie möglich. Genau deshalb trete ich für einen vorsorgenden Sozialstaat ein, der systematisch in die Menschen investiert, bevor soziale Schadensfälle wie Krankheit oder Arbeitslosigkeit eintreten und der ‚reparierende‘ Sozialstaat eingreifen muss.“ Heil ist verheiratet; das Ehepaar hat zwei Kinder.
Fegebank zu Gast
Prominenter Besuch beim Heinrich-Grone-Gespräch: Katharina Fegebank, Hamburgs Zweite Bürgermeisterin und Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung, war am Montag, 18. Juni, um 18.00 Uhr im Grone-Bildungszentrum Hammerbrook zu Besuch. Ihr Thema: „Hamburg: Tor zur Welt, Labor zur Welt – auf dem Weg zur Wissenschafts- und Innovationsmetropole“.
In Ihrem 30- minütigen Vortrag berichtete Fegebank über die Entwicklung der Hansestadt zu einem der international erfolgreichsten Standorte für Forschung und Entwicklung. Das Ziel soll sein, den "schlausten Köpfen" ein unterstützendes Umfeld zu bieten, um neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Denn nur wenn es der Hansestadt gelingt, Kreativität, den Austausch von Wirtschaft und Wissenschaft auf die Region zu konzentrieren und weiter zu entwickeln, wird der Standort zukunftsfähig bleiben. Für das Vorhaben die Forschungslandschaft in Hamburg und der Metropolregion auszubauen, erhält die Stadt zusätzliche Mittel vom Bund.
Digitale Kompetenz
Hamburg – „Digitale Kompetenz fürs Lernen und Arbeiten“ ist ein neues Angebot der Grone Wirtschaftsakademie. Es wendet sich an Bürofachkräfte, Projektmitarbeiter, Koordinatoren und alle, die in einer digitalisierten Arbeitswelt souverän und sicher auftreten möchten. Infrage kommen auch Arbeitssuchende, die einen Bildungsgutschein der Bundesagentur für Arbeit oder des Jobcenters erhalten. Der einmonatige Kurs hat Präsenzform von montags bis freitags. Projektleiterin Bärbel Evers: „Unter anderem geht es um das Verstehen und Mitgestalten des digitalen Wandels, um souveränes Bewegen in der digitalisierten (Arbeits-)Welt. Es werden die persönlichen und kommunikativen Kompetenzen gestärkt; auch digitales Netzwerken und Bewerben gehören dazu.“
Die neue Lernwelt 4.0: Das Beispiel Schweißerausbildung in Weimar
Weimar – „Bei der Entwicklung neuer Bildungskonzepte dürfen wir nicht stehen bleiben. Hier sind ständige Investitionen nötig, um unsere Kunden jederzeit mit aktuellen Technologien zu unterstützen. Wir sind weiterhin im Bereich der Weiterbildung in der Industrie für Roboterbedienung und -programmierung tätig – das ist die Lernwelt 4.0“, sagt Frank Mansius, Geschäftsführer von Grone Thüringen. Er liefert dafür den Beweis: In der Ausbildungsstätte für Schweißer wird im Grone Bildungszentrum Weimar zur Unterstützung der Schweißerausbildung auf virtuelle Trainingssysteme zurückgegriffen. Dabei wird das simulationsgestützte Trainingssystem „Soldamatic“ genutzt. Das von dem spanischen Unternehmen Seabery entwickelte Konzept ist eine integrierte Highend-Schweißsimulations- Lösung. Neben dem kostensparenden und effizienten Training des Schweißens am Simulator bietet der Soldamatic die Möglichkeit, Theorie und Praxis in einem kompletten System zu vermitteln – eine bahnbrechende Entwicklung in der Schweißerausbildung. Nun geht es weiter. Kursstättenleiter bei Grone Weimar ist Sylvio Rossi. Er hatte die Idee zu einem gemeinsamen überbetrieblichen Projekt mit Seabery und FANUC, einem der größten Roboterhersteller weltweit, und präsentierte es auf dem 1. internationalen Augmented Training Kongress im spanischen Huelva einem Fachpublikum aus mehr als 20 Ländern. Rossin: „Ein solches Trainingskonzept sowohl für die klassische Ausbildung von Schweißern in Verbindung mit der Roboterausbildung hat es noch nicht gegeben. Interesse und Resonanz waren dementsprechend hoch. Ein weiterer großer Vorteil des Trainings liegt in der Umsetzung neuer pädagogischer Konzepte und der Mehrsprachigkeit des Systems. Virtual Welding ersetzt nicht die klassische Schweißerausbildung, sondern ist nur ein Hilfsmittel.“ Im Rahmen der Zusammenarbeit der drei Partner wird das System weiterentwickelt. Rossin: „Wir werden ein gutes Werkzeug für die Lernwelt 4.0 zum Einsatz bringen.“
Neuer Standort: Berlin – Grone expandiert weiter – auch in der Hauptstadt. Als 11. Standort hat Grone Berlin im Februar 2018 eine Niederlassung in Spandau eröffnet. Dr. Hartmut Bodamer, Geschäftsführer Grone Berlin: „Wir fokussieren uns dort zunächst auf Aktivierungshilfen. Dabei geht es um die Inhalte ‚Grundkompetenzen‘ und ‚Richtig bewerben‘.“
Der schwierige Wiedereinstieg ins Berufsleben
Albrecht: „Der erste Job nach der Langzeitarbeitslosigkeit muss nicht unbedingt der Traumberuf sein“
Hamburg/Berlin – Für die Finanzierung des Bundesprogramms „Teilhabe am Arbeitsmarkt für alle“ sind von 2018 bis 2021 vier Milliarden Euro eingeplant. Die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD plant auf Bundesebene einen sozialen Arbeitsmarkt für rund 150.000 der aktuell 850.000 Langzeitarbeitslosen, die so gut wie keine Chance haben, anders einen Job zu bekommen. Zuletzt ist Bewegung in diesen Bereich des Arbeitsmarkts gekommen.
Laut Bundesagentur für Arbeit haben im Jahr 2017 rund 162.000 Menschen eine Anstellung gefunden, die vorher langzeitarbeitslos waren. Am häufigsten fanden sie eine Anstellung als Helfer in der Lagerwirtschaft. Der zweithäufigste Beruf war im Reinigungsgewerbe, gefolgt von Verkaufshelfer. Die neue Anstellung stellt für die meisten ehemaligen Langzeitarbeitslosen eine erhebliche finanzielle Verbesserung dar: Langzeitarbeitslose bekommen oft einen Regelsatz von 416 Euro im Monat, das summiert sich auf knapp 5.000 Euro im Jahr, hinzu kommen oft noch individuelle Zuschüsse zum Beispiel für die Unterkunft.
Grone-Vorstand Achim Albrecht: „Der erste Job nach der Langzeitarbeitslosigkeit muss nicht unbedingt der Traumberuf sein. Nach langer Erwerbslosigkeit kann der Einstieg oder Wiedereinstieg ins Berufsleben schwierig sein. Dort hilft Grone mit vielfältigen Angeboten, denn wir wissen: Mit Fortdauer der Arbeitslosigkeit entfremden sich die Menschen immer mehr von ihrem früheren Beruf und vom Berufsleben.“ Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will, dass die Lohnkostenzuschüsse über einen Zeitraum von fünf Jahren gezahlt werden, dabei allerdings nach und nach sinken. Damit solle verhindert werden, dass es zu einer verfestigten Subventionierung kommt. Konkret plant Heil eine Neuregelung im Sozialgesetzbuch II.