OECD-Studie: Deutschland braucht ein kohärenteres Weiterbildungssystem
Deutschland muss sich bei der Weiterbildung stärker um die Bedürfnisse Geringqualifizierter kümmern und insgesamt sein Weiterbildungssystem kohärenter gestalten.
Ansprüche auf Bildungszeiten sollten einheitlich geregelt, finanzielle Anreize gebündelt und die Möglichkeiten zur Anerkennung nicht-formal und informell erworbener Fähigkeiten verbessert werden. Dies sind die wichtigsten Empfehlungen der OECD-Studie Weiterbildung in Deutschland, die Mitte April vorgestellt wurde.
Die Studie untersucht, wie gut das deutsche Weiterbildungssystem Menschen und Unternehmen unterstützt, mit dem raschen Wandel der Arbeitswelt Schritt zu halten. Im OECD-Vergleich hat Deutschland mit 18 Prozent einen recht großen Anteil von Arbeitsplätzen mit hohem Automatisierungsrisiko. Das sind Arbeitsplätze, die zukünftig wegfallen könnten, weil eine Maschine die Tätigkeiten übernimmt. Weitere 36 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland werden sich in den kommenden 15 Jahren wahrscheinlich stark verändern. Gleichzeitig werden viele neue Jobs entstehen. Weiterbildung in allen Formen – von Aufbaustudiengängen über Lehrgänge bis hin zum Lernen von Kolleg*innen – ist essentiell, um Menschen auf diese Veränderungen vorzubereiten.
Wie die Studie zeigt, werden in Deutschlands insgesamt leistungsstarkem Bildungssystem ausgerechnet diejenigen oft nur schwer von Weiterbildungsangeboten erreicht, die besonders davon profitieren würden. Dazu gehören Erwachsene in Berufen mit hohem Veränderungs- oder Automatisierungsrisiko, Erwachsene mit geringen Grundkompetenzen, Geringverdienende und Beschäftigte in kleinen und mittleren Unternehmen. Sie nehmen seltener Weiterbildungsangebote wahr als Menschen mit höheren Qualifikationen – was die Kluft zwischen den Bildungsgruppen weiter vergrößert. Diese Tendenz gibt es in allen OECD-Ländern. Im Vergleich zu anderen leistungsstarken Mitgliedsländern ist die Weiterbildungsteilnahme in Deutschland jedoch besonders ungleich verteilt.
„Deutschland hat in jüngster Zeit viel dafür getan, seine Weiterbildungslandschaft zu modernisieren und die Koordination der vielen Weiterbildungsakteure zu verbessern – nicht zuletzt im Rahmen seiner Nationalen Weiterbildungsstrategie“, so OECD-Generalsekretär Angel Gurría bei der Vorstellung der Studie. „Dieser Weg muss fortgeführt und erweitert werden, insbesondere durch einen stärkeren Fokus auf jene Gruppen, deren berufliche Zukunft am meisten von Weiterbildung abhängt.“
Eine zentrale Empfehlung der Studie ist, die komplexen Strukturen der deutschen Weiterbildungslandschaft zu vereinfachen. Das bisherige System zeichnet sich durch dezentrale, föderale Strukturen, hohe Eigenverantwortung und starken Wettbewerb zwischen den Anbietern aus. Das macht es einfacher, maßgeschneiderte Angebote bereitzustellen, ist aber für Einzelne schwer zu überblicken, bietet wenig Vergleichbarkeit in Bezug auf die Qualitätsstandards der Anbieter und schafft ungleiche Zugangsvoraussetzungen. Es wäre sinnvoll, über ein nationales Weiterbildungsgesetz einen Rahmen zu etablieren, der Zuständigkeiten, Organisation, Anerkennung und Finanzierung regelt. Für Anbieter sollten Mindestqualitätsstandards eingeführt werden.
Zeitmangel und fehlendes Wissen über die eigenen rechtlichen Ansprüche halten viele Menschen von der Teilnahme an Weiterbildungsangeboten ab. Die Studie empfiehlt, den Anspruch auf Bildungszeiten und Bildungsurlaub regionen- und branchenübergreifend zu vereinheitlichen und die finanziellen Fördermöglichkeiten für Weiterbildung nutzerfreundlicher zu gestalten. Darüber hinaus empfiehlt die Studie, Angebote zum Erwerb von Teilqualifikationen bundesweit auszubauen, zu standardisieren und so zu gestalten, dass diese auf dem Arbeitsmarkt problemlos anerkannt werden. Beispiele aus Dänemark, Finnland und anderen Ländern zeigen, dass modularisierte Teilqualifikationen für mehr Inklusivität sorgen können, weil sie flexibler auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen.
Desweiteren empfiehlt die Studie, Konzepte und Kampagnen zu entwickeln, die gezielt Menschen mit geringen Grundkompetenzen ansprechen. Diese Gruppe sucht seltener aktiv nach Weiterbildungsmöglichkeiten und ist auch durch Informationskampagnen oft nur schwer für Weiterbildung zu gewinnen. Die Studie empfiehlt, dass Bund und Länder in einer gemeinsamen Initiative kostenlosen oder kostengünstigen Zugang zu Lernangeboten im gesamten Bundesgebiet schaffen. Diese Angebote sollten praxisnah und problemorientiert angelegt sein und idealerweise im Arbeitskontext stattfinden. Die Studie beschreibt Beispiele aus anderen OECD-Ländern, darunter das UnionLearn-Programm in Großbritannien, die auf diese Weise erfolgreich die Weiterbildungsteilnahme bei eher schwer erreichbaren Gruppen erhöht haben.
Hier finden Sie die vollständige Studie auf Englisch sowie eine Zusammenfassung auf Deutsch.
Quelle: www.bildungsklick.de
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